Uhren: Die Eine

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Uhren: Die Eine

Das sieht leichter aus als es ist“, sagt Reinhold Flüthe, wirft einen kleinen Brenner an und hält die Flamme auf ein Werkzeug, auf dem eine winzig kleine, gerade mal einen Millimeter große Schraube liegt. Während diese nach und nach erhitzt wird, verändert sich ihre Farbe – der Stahl der Schraube wird braun, dann violett und schließlich blau. Nach dem Abkühlen ist sie bereit für ihren Einsatz in einem Uhrwerk, wo gebläute und damit veredelte Schrauben als Inbegriff traditioneller Handwerkskunst gelten. Doch nicht nur das macht ein Uhrwerk zum Leckerbissen für Liebhaber: Auch von Hand aufgebrachte Zierschliffe und Polituren verwandeln das Innenleben eines Zeitmessers zu einem ästhetischen Genuss.

Mechanik hautnah erleben

Dieses Erlebnis teilt Reinhold Flüthe mit begeisterten Laien: Der Uhrmachermeister und Uhrenrestaurator aus Telgte im Münsterland gibt Seminare, bei denen Uhrenfreunde die Mechanik einer Uhr nicht nur erklärt bekommen, sondern auch hautnah erleben dürfen. Sie zerlegen ein Uhrwerk, dekorieren und verschönern zahlreiche der Komponenten, bauen es mit fachkundiger Hilfe wieder zusammen und schalen alles in ein Gehäuse ein. Nach zwei Seminartagen können sie ihre ganz eigene, individuelle Uhr mit nach Hause nehmen.

Diese Uhr, ein von Flüthe „Seminaruhr“ genanntes Modell, avanciert dadurch nicht nur zum Liebling stolzer Seminarteilnehmer, sondern ist auch der Favorit des Fachmanns. „Denn mit dem Werk dieser Uhr fing bei mir alles an“, erklärt Reinhold Flüthe. Das erste Armbanduhr­werk, an dem er während seiner Uhrmacherlehre arbeitete, war just dieses – das Unitas/ETA-Kaliber 6498, ein in den 1950er-Jahren entwickeltes, relativ großformatiges Handaufzugswerk, das laut Flüthe „auch tapsige Handgriffe verzeiht“ und sich daher für erste Versuche an der Mechanik bestens eignet. So gut, dass Reinhold Flüthe „gleich Feuer und Flamme war“, wie er sich heute erinnert.

Eine Faszination, die ihn auch heute noch erfasst, wenn er auf seine Uhr mit dem von ihm handdekorierten Werk blickt. Zumal es einen weiteren wichtigen Schritt in seinem Leben markiert – den vom Inhaber eines Juweliergeschäfts zur eigenen Uhrenmarke, zum Seminarleiter und Uhrenrestaurator.

 

Ein Stück Familientradition

„Vor einigen Jahren war mir klar, dass ich mich neu orientieren muss. Ich empfand meinen Standort als schwierig und wollte Nischen suchen, etwas machen, was andere nicht können“, sagt Flüthe. Da kam eines Tages ein langjähriger Kunde in den Laden der seit 1859 in Familienbesitz geführten Uhrmachermeisterwerkstatt. In einer Schublade hatte er eine vergessene Taschenuhr gefunden, auf deren Zifferblatt das Markensignet „Flüthe“ prangte. Nach einigen Recherchen erfuhr Reinhold Flüthe, dass sein Urgroßvater eigene Uhren angeboten hat. „Ich habe mich gefreut, einem Stück Familientradition zu begegnen, und wollte unsere Hausmarke wieder aufleben lassen.“

Daher entwickelt Flüthe eigene Gehäuse, Zifferblätter sowie die Gestaltung der Werkdekoration. Für sich selbst wählt er ein Zifferblatt mit Guilloché-Muster, über dem Breguetzeiger kreisen. Das schönste Schauspiel aber zeigt sich durch den gläsernen Gehäuseboden, der den Blick auf das Uhrwerk ermöglicht, das mit Genfer Streifen, einem klassischen Streifenschliff, einem strahlenförmigen Sonnenschliff und Handgravuren veredelt ist.

Außerdem hat Flüthe einen Sekundenstopp in das Werk eingebaut: Wird die Krone gezogen, hält der Sekundenzeiger an, sodass es möglich ist, die Zeit absolut präzise einzustellen. „Damit zeigen wir auch, dass wir viele Facetten des Handwerks beherrschen“, sagt Flüthe stolz. Denn neben den eigenen Uhren mit dem selbst modifizierten Werk agiert er auf einem weiteren, ganz besonderen Gebiet: der Uhrenrestauration. Dafür hat er eine zusätzliche Ausbildung absolviert und repariert nun fachmännisch alte Taschen-, Tisch- oder Standuhren, die aus ganz Deutschland zu ihm gebracht werden.

Jeden Tag neue Herausforderungen

Eine Arbeit, die Flüthe begeistert: „Mir gefällt daran besonders gut, dass man sich jeden Tag neuen Herausforderungen stellen muss, dass man immer wieder Neues erlebt. Gestern habe ich eine gut 200 Jahre alte Uhr auseinandergenommen und festgestellt, dass das Gangrad verschlissen ist. Also habe ich ein neues gefertigt – dank der zum Teil historischen Maschinen, die wir in unserer Werkstatt haben. Wir können zahlreiche Werkteile selbst herstellen, auch Zahnräder oder Hebel. Eine Fertigkeit, die heute kaum noch ein Uhrmacher hat.“

Diese Vielseitigkeit seiner Arbeit fasziniert den Uhrmachermeister – neben der Geschichte, die alte Stücke bisweilen in sich tragen: „Auf meinem Werktisch liegt derzeit eine alte Taschenuhr mit Viertelstundenrepetition. Das heißt, dass sie die Zeit auf die Viertelstunde genau schlagen kann, wenn man einen Drücker betätigt. Wenn man weiß, dass diese Uhr 200 Jahre alt ist, ist das noch eine besondere Faszination über die Mechanik hinaus.“

Originalartikel: Handwerk-Magazin 01.08.2014 | Iris Wimmer-Olbort

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